Wie aus einer anderen Welt
Extreme Farben, raumgreifende Formen: Jil Köhns Schmuckstücke basieren zwar auf Fundstücken aus der Natur. Was sie daraus aber modelliert, wirkt seltsam unwirklich, vertraut und fremd zugleich.
Am Anfang war dieses Stück Baumrinde, aufgesammelt auf einem Waldspaziergang. „Die war so ästhetisch, so perfekt“, erinnert sich Jil Köhn. „Ich wollte sie verewigen und vervielfältigen“. Es blieb nicht bei der Baumrinde. Hölzer, Moose, Flechten, Steine – in ihren bizarren Schmuckstücken kombiniert Jil Köhn Formen, die sie in der Natur findet. Wobei sie oft das Gefühl hat, dass die Objekte sie aussuchen und nicht umgekehrt: „Wenn ich bewusst in den Wald gehe, dann findet ich oft nichts – aber wenn ich am Joggen bin und gar keine Zeit habe oder die Hände voll, dann finde ich die schönsten Dinge.“
Sobald die Fundstücke aber ausgebreitet im Atelier liegen, übernimmt Jil Köhn die Kontrolle und komponiert daraus Vorlagen für Ringe, Armreifen und Broschen: „Ich entziehe diesen Naturfundstücken ihr eigentliches Wesen und gebe da eine ganz neue Materie rein. In Kombination mit diesen schrillen Farben bekommen sie sofort etwas außerweltliches. Ich sage immer, das sind Fundstücke aus einer anderen Welt.“
Bei den extremeren Farben fragt sich die Designerin selbst manchmal, ob sie es da nicht zu weit getrieben hat. „Und dann schaue ich ein halbes Jahr später meine Entwürfe durch und denke ganz oft: Was ist denn das für ein geiles Stück? Das passt ja genau in die Kollektion, die ich momentan baue.“
Nicht nur die unwirklichen Farben kennzeichnen Jil Köhns Schmuck – auch ihre Größe. Dezent oder filigran ist hier gar nichts, die ausladenden Broschen zum Beispiel sind Solo-Darsteller, die gerne auf einer schwarzen oder dunkelblauen Garderobe auftreten. Und alle Augen auf sich ziehen. „Meine Stücke sind auch dafür da, die Fantasie zu triggern: Die Leute sollen sich frage: Was ist das denn, kommt das vom Mars oder was? So etwas ist superwichtig, unser Leben basiert ja darauf, dass Dinge in unseren Köpfen entstehen. Wir dürfen nicht nur darauf schauen, was es schon gibt, wir müssen die Welt immer wieder ein bisschen neu ordnen und neu kreieren.“
Jedes Stück, das Jil Köhn modelliert, ist ein Unikat. Das beginnt mit den Farben, die sie in das selbst entwickelte Material gibt und deren Verhalten nie vollständig berechenbar ist. Auch die Modellierung selber ist ein experimenteller Prozess: „Was meinst du, wie ich schon an Formen gescheitert bin, die ich tagelang vorbereitet habe und dann habe ich an einer Stelle falsch gedacht?“
Und auch gelungene Formen lassen sich nicht unbegrenzt reproduzieren: „Irgendwann existiert die Form einfach nicht mehr. Ich kann immer nur eine bestimmte Anzahl von Objekten davon modellieren.“ Weswegen Jil Köhn mit besonderen Stücken ganz besonders vorsichtig ist. Vor allem mit der Baumrinde, mit der vor acht Jahren alles begonnen hat: „Damit gehe ich sehr, sehr sparsam um.“
Zu den zauberhaften Schmuckstücken von Jil Köhn